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Stellungnahme des MKV zur aktuellen Liederbuchaffäre

07. November 2019 | Allgemein, Politik, Startseite
Stellungnahme des MKV zur aktuellen Liederbuchaffäre

Weil in der veröffentlichten Meinung derzeit immer wieder über das in Studentenliederbüchern vorkommende Lied „Es lagen die alten Germanen“ zu lesen ist, hierzu ein paar sachliche Feststellungen:

  • Das Lied ist eine Parodie (!) auf Nationalsozialismus und Rassismus. Es entstand 1939/40 in der im Untergrund und Widerstand gegründeten Münsteraner Studentenverbindung Monasteria zu einer Zeit, in der alle Verbindungen von den Nazis verboten waren und unzählige katholische Couleurstudenten in Konzentrationslagern saßen. In den damals gedichteten Strophen wird ua. Joseph Goebbels als „Bock von Babelsberg“ genannt, der „hatte ne große Klappe, von Wuchs war er ein Zwerg“. Die Strophen des Liedes sind in diesem Kontext zu verstehen – und es ist völlig klar, dass man damals für das Singen eines solchen Liedes im KZ gelandet wäre.
  • Die Fassung, die der MKV seinerzeit übernommen hat, ist die Version des Franziskaner(!)-Jugendliederbuchs, eine Publikation des renommierten Voggenreiter-Verlags und dürfte in den 50er-Jahren entstanden sein. Ihre Pointe besteht darin, dass sich die politischen Köpfe verschiedener Richtung mit nationalistischen Sprüchen fraternisieren. Die Satire ist unübersehbar, wenngleich nicht übertrieben intelligent. In unserem Kommersbuch aus dem Jahr 1984 waren beide Versionen des Liedes enthalten: die Urfassung und die 50er-Jahr-Variante. In den ebenfalls in Medien zitierten kleinen Liederbuch „Gaudeamus“ aus dem Jahr 1999 wurde nur die 50er-Jahr-Variante abgedruckt, ebenfalls mit dem Hinweis auf die Satire.
  • Dass deutschnationale Burschenschaften dieses Spottlied auf das NS-Regime dazu verwendeten, eigene Strophen zu ergänzen, die eine Verharmlosung bzw. evtl. sogar Verherrlichung – sicher aber Verhöhnung – der Shoah darstellen, konterkariert den Charakter des Liedes vollkommen. Und zeigt nebenbei, dass sie den satirischen Charakter des Textes entweder nicht verstehen wollten oder konnten. Wie zum Beispiel die 2018 in einem Wiener Neustädter Germanen-Liederbuch aufgetauchte Ben-Gurion-Strophe. Für uns gibt es keinen Zweifel, dass derartige Ergänzungen indiskutabel sind. Der Judenmord ist kein Thema für Satire und schon gar nicht für Biertischulkerei. Das ist einfach eine infame Geschmacklosigkeit und zu verurteilen.
  • Aus den unter 1.) und 2.) genannten historischen Gründen findet sich das Lied (ohne die antisemitischen Zusatzstrophen) auch in den Liedersammlungen so mancher katholischer Studentenverbindung, auch wenn es vermutlich kaum mehr gesungen wird. In allen älteren Liederbüchern des MKV gibt es eine Fußnote, die die historische Einordnung erläutert. Für die Neuauflage unseres Kommersbuches (Österreichisches Kommersbuch) im Jahr 2015 haben wir auf die Zweitversion aus den 50er-Jahren verzichtet. Keineswegs in Vorahnung dessen, was letztes Jahr und auch jetzt wieder passiert, und auch nicht, weil wir dieses Lied in dieser Form für inkriminierbar hielten, sondern weil es uns nicht sinnvoll schien, zwei Versionen eines vergleichsweise unbedeutenden Liedes nebeneinander abzudrucken. Wir beschränkten uns in der Neuauflage also auf die Urversion, ohne die in den letzten Tagen so oft strapazierte Textzeile.
  • Auch in den Ausgaben des kleinen Liederbuches „Cantus parat“ (Nachfolgebücherl des „Gaudeamus“) wurde stets auf beide Textversionen des Lieds „Es lagen die alten Germanen“ verzichtet.
  • Wenn jetzt in manchen Beiträgen den katholischen Couleur-Verbänden MKV (Mittelschüler-Kartell-Verband), ÖCV (Österreichischer Cartellverband) und KÖL (Akademischer Bund katholisch-österreichischer Landsmannschaften) aufgrund des (früheren) Vorkommens dieses Liedes eine NS-Nähe unterstellt wird, kann dieser Vorwurf nur als grotesk und bösartig bezeichnet werden.

 

Wir stehen zu unserem traditionellen Liedgut

Katholische Mittelschulverbindungen gibt es seit weit über 100 Jahren. Die heute älteste noch existierende MKV-Verbindung wurde 1876 gegründet. Heute gibt es 165 MKV-Verbindungen an etwa 100 Standorten in ganz Österreich. Traditionen und Werte sind uns wichtig. Unsere vier Grundprinzipien:

  • religio (katholischer Glaube)
  • scientia (lebenslanges Lernen)
  • patria (klares Bekenntnis zu Österreich in einem vereinten Europa)
  • amicitia (lebenslange Freundschaft)

sind seit den Gründungstagen unverändert. Im Sinne unser aller, aus der Geschichte gewachsenen Verantwortung ist der MKV stets bemüht, seine Traditionen und Werte zeitgemäß und mit Blick auf die Zukunft zu interpretieren. Die aktuelle Version unseres Grundsatzprogrammes stammt aus 2012.

Unser Liedgut mag für Externe verstaubt und antiquiert wirken. Viele Lieder stammen auch aus dem 19. Jahrhundert. Die darin besungenen Inhalte beschreiben unsere Grundprinzipien und sind zumeist durchzogen von Lebensfreude und Humor. Das Singen dieser Lieder ist ein wesentlicher Bestandteil unserer traditionellen Feiern, die in der Regel (je nach Verbindung) in etwa zwei bis fünf Mal pro Semester stattfinden. Und da in diesen Liedern nichts Verwerfliches zu finden ist, werden wir uns auch von niemandem vorschreiben lassen, was wir zu singen haben. Heute werden, von den über 350 im „Österreichischen Kommersbuch“ abgedruckten Liedern zumeist (leider) nur noch 20 regelmäßig oder überhaupt gesungen. Bestrebungen, das Liedgut durch neue Texte aufzufrischen, sind seit einigen Jahren verstärkt wahrzunehmen und einige dieser neuen Liedertexte finden – zur Freude vieler – auch da und dort bereits Einzug in offizielle Feiern. Dennoch: Alte, studentische Lieder sind und bleiben ein zentraler Teil unseres Miteinanders.

 

Nicht alles, was gleich aussieht, ist auch gleich!

Auch wenn die Erscheinungsform der Verbindungen und die damit verbundenen Formen des Außenauftrittes und der Riten gleich oder zumindest ähnlich blieben, so haben sich die inhaltlichen Wege seit 1815, also vor über 200 Jahren diametral auseinanderentwickelt. Das führt dazu, dass in der Öffentlichkeit, aus Unwissenheit oder bewusst aus ideologischen oder parteipolitischen Motiven, das katholische Farbstudententum mit dem schlagenden und/oder nationalen Korporationswesen inhaltlich gleichgesetzt wird.

Doch: Nicht alles, was gleich aussieht, ist auch gleich!

Zwei besondere Unterschiede sollen hier hervorgehoben werden:

  • Unser Prinzip „religio“ bildet einen wesentlichen Aspekt in der Abgrenzung zum national-freiheitlichen und schlagenden Lager, welches das religiös-sittliche Programm 1815 verwarf und seinen Wahlspruch auf „Ehre, Freiheit, Vaterland“ reduzierte. Dazu entwickelte sich bei ihnen eine national-liberale Ideologie, die antiklerikale, romfeindliche und später auch antisemitische Züge annahm.
  • Darüber hinaus führten sie auch die von der Kirche als „sittlich verwerflich“ abgelehnte Mensur als Teil ihres studentischen Selbstverständnisses weiter fort. Während wir katholische Farbstudenten die Mensur als unethisch ablehnen, ist sie für die „Schlagenden“ als ritueller Zweikampf ein wesentlicher Bestandteil ihres couleurstudentischen Selbstverständnisses und ihres Comments.

Diese und viele weitere Erklärungen zur Unterscheidung zwischen den katholischen Verbindungen und dem schlagenden und/oder nationalen Korporationswesen haben wir in einer 2015 aufgelegten, rund 40seitigen Broschüre zusammengefasst.

 

Der MKV hat sich von jeher für eine klare Differenzierung ausgesprochen

Unser Verband hat unter den Nationalsozialisten extrem gelitten. Viele Buden (Vereinslokale) wurden noch in der Nacht zum 12. März 1938 gestürmt, das Inventar von den Nazihorden vernichtet und unser Verband und seine Verbindungen verboten. Viele Kartellbrüder wurden von den Nazis ermordet, wurden in Konzentrationslager und Gefängnisse gesperrt und dort gefoltert und misshandelt. Andere verloren ihre Anstellungen, wurden ihrer Heimat verwiesen oder mussten andere Drangsal der Nazis erdulden.

Bereits im Jahr seiner Gründung (1933) untersagte der MKV seinen Verbindungsmitgliedern die Mitgliedschaft in der NSDAP.  Wörtlich hieß es damals: „Es ist jedem Mitglied verboten der nationalsozialistischen Arbeiterpartei (Hitler-Bewegung) als Mitglied anzugehören oder ihre Interessen in irgendeiner Weise zu fördern.“  Dieser Beschluss galt bis zur Zwangsauflösung des MKV und seiner Verbindungen im Jahr 1938.

Der MKV hat sich von jeher für eine klare Differenzierung ausgesprochen und das in seinem Grundsatzprogramm – „Der MKV und seine Verbindungen lehnen Duell und Mensur aus ethischen Gründen auf Grund ihrer christlichen Überzeugung entschieden ab.“ – bzw. in einem 1990 gefassten Dauerbeschluss – Der MKV stellt fest, dass sich an den Gegensätzen zu den national-liberal-waffen­studentischen Korporationen, kurz „Schlagende“ genannt, nichts geändert hat. Einmal mehr sieht sich der MKV veranlasst, sich klar von allen Studentenkorporationen zu distanzieren, die programmatisch, praktisch oder personell im Widerspruch zum Grundsatz­programm des MKV stehen. Das ist etwa bei Korporationen der Fall, die eine historisch gewachsene Nation ablehnen oder die Duell und Mensur nicht verwerfen.“ – auf der höchsten beschlussfassenden Versammlung unmissverständlich festgehalten.

 

Über den MKV:

Der Mittelschüler-Kartell-Verband ist heute der größte Schüler- und Schulabsolventenverband Österreichs. Im Namen Mittelschüler-Kartell-Verband steckt schon, dass es sich nicht um Studenten im herkömmlichen Sinn handelt, sondern um Schüler und Absolventen von AHS bzw. BHS. An Schulstandorten im gesamten Bundesgebiet ist der MKV vertreten, in größeren Städten bildeten sich mehrere Verbindungen, und so sind heute 165 Korporationen Mitglied im MKV.

Der Mittelschüler-Kartell-Verband ist Mitglied in zahlreichen Arbeitsgemeinschaften und Verbänden. Auf europäischer Ebene sind wir Teil des Europäischen Kartellverbands (EKV), der alle europäischen christlichen Studentenverbände verbindet. In Österreich ist der MKV aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände (AKV) und Teil des Katholischen Laienrats (KLRÖ), um im Sinne des Laienapostolats positiv an der Gesellschaft mitzuwirken.

 

Weiterführende Information zum Lied „Es lagen die alten Germanen“:

Darstellung des deutschen Volksliedarchivs: https://www.volksliederarchiv.de/es-lagen-die-alten-germanen-heil-hitler

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